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Waves of Well-being: Surfen im Shaka Surf Club in Kodi Bengre, Indien

Die Ursprünge des Surfens liegen in den seit langem bestehenden Kulturen der pazifischen Inseln, Südamerikas and Westafrikas. Nachdem das Wellenreiten von europäischen Missionaren verboten wurde, die es als faul und „barbarisch“ abtaten, wurde das Surfen schließlich auf Hawaii wieder eingeführt und entwickelte sich zu einem aufstrebenden Phänomen des 20. Jahrhunderts. Heute repräsentiert Surfen die Subkultur eines „alternativen“ Sports, Lebensstils und einer Kunst, die tiefgreifende persönliche und lebensverändernde Einflüsse hat. Auch in Indien, besonders im Fischerdorf Kodi Bengre, bedeutet Surfen weit mehr als einfach nur eine Welle entlangzugleiten. Diese qualitative Studie untersucht, wie der Shaka Surf Club die Wahrnehmung von Wohlbefinden und psychischer Gesundheit bei Surfern und Mitgliedern der umliegenden Gemeinschaft in Kodi Bengre prägt.

Während der Vorbereitungen auf meine Reise nach Manipal, Indien, wo ich ein Semester studieren würde, stieß ich auf die Website des Shaka Surf Clubs. Als leidenschaftliche Surferin wurde ich sofort davon angezogen, Zeit im Surfclub zu verbringen. Während meines sechsmonatigen Aufenthalts in Manipal war Shaka ein fester Bestandteil meiner tägliche Routine, in der ich Stunden im Ozean verbrachte und meiner großen Leidenschaft nachging. Doch durch die dort geschlossenen Freundschaften und die Gemeinschaft, die ich dort erlebte, war Shaka für mich mehr als nur ein Surfclub.  Als weiße Europäerin fand ich Zugehörigkeit in einem Land, das mir zunächst so fremd war.

Two men walking along the street in front of the Shaka house decorated with palm trees and sunshine

Zwei Männer gehen auf der Straße vor dem Shaka Haus entlang (Credit: Laura Werle)

In den 1970er Jahren brachte Jack Hebner, bekannt als „Swami“ und ursprünglich aus Jacksonville, USA, das Surfen nach Indien, indem er eine Surfschule in Mangalore, Indien gründete, in der er Touristen und Einheimischen das Surfen beibrachte. Surfen in Indien kann als neokoloniale, westliche Sportart betrachtet werden, da es nicht in Indien begann, obwohl Aufzeichnungen über indigenes Surfen existieren (World Surf League, 2022). Dennoch hat eine von Einheimischen vorangetriebene Entwicklung des Surfens das Potenzial, eine nachhaltige lokale Surfkultur zu schaffen. Surfen in Indien ist ein kastenübergreifendes Phänomen und fördert die Interaktion, Kommunikation und Freundschaft zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft. Das Gefühl der Gemeinschaft wird durch das Zusammensein im Wasser als Brüder, Schwestern und Freunde gestärkt (Quicksilver India, 2013).

Während das Surfen zwar die Zusammengehörigkeit über Kastengrenzen hinweg fördert, spiegelt es auch tiefgreifende Geschlechterungleichheiten wider. Surfen ist ein Sport, der von männlichen Geschlechtsnormen bestimmt wird (Comley, 2016), und dessen Geschichte von Sexismus und Diskriminierung geprägt ist (Ford & Brown, 2006). Diese geschlechtsspezifischen Hindernisse beim Zugang zum Surfen, einschließlich subkultureller Barrieren und Marginalisierung, betreffen auch die indische Surfer. Für Mädchen und Frauen wird es beispielsweise als Problem angesehen, dass das Surfen die Hautfarbe verdunkelt, da dunkle Haut als weniger schön angesehen wird.

Surfen hat ebenfalls Auswirkungen auf und rum um die Umwelt. Zum Beispiel stellt Plastikverschmutzung eine dringliche Umweltkrise dar, die durch die Zunahme von Plastikabfällen, fehlender Recyclingmöglichkeiten und mangelnder Abfallentsorgung, Flüsse, Ozeane und landgebundene Ökosysteme schädigt (Pathak, 2020). Das Surfen lenkt Aufmerksamkeit auf die Ökosysteme Indiens, wobei die Surfgemeinschaft als nationale Stimme für den Schutz der Küsten und den Kampf gegen die Plastikverschmutzung agiert (Miller & Fechser, 2015).

Einheimische Surfer beschreiben tiefe Verbindungen zum Ozean und zur Natur als spirituelle Erfahrungen (Shamaran, 2020). Diese Verbundenheit fördert das Mitgefühl für alle Lebewesen und ermöglicht Selbstreflexion sowie das Verweilen im gegenwärtigen Moment (Taylor, 2010). Einige Studien haben das therapeutische Potenzial des Surfens für das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit untersucht, darunter die Verringerung von Wut, Depression und Stress sowie die Verbesserung der Schlafqualität (Podavkova & Doleis, 2022). Die in diesem Beitrag beschriebene Forschungsarbeit zielte ebenfalls darauf ab, Erkenntnisse zur Verbesserung kostengünstiger Unterstützung und Interventionen im Bereich der psychischen Gesundheit in Küstengebieten und Fischergemeinden zu gewinnen. In diesen Gebieten gibt es oft weniger psychosoziale Dienste und Ressourcen, jedoch weisen sie hohe Raten an Depressionen, Angstzuständen und Suizidrisiko auf.

Forschung im Shaka Surf Club

Diese Studie wurde im Shaka Surf Club durchgeführt, der sich in Kodi Bengre befindet, einem kleinen Fischerdorf mit 8.500 Einwohnern an der Küste des Bundesstaates Karnataka im Südwesten Indiens. Das Dorf liegt zwischen dem Arabischen Meer und den Wasserläufen des Fluss Suvarna, umgeben von Wasser auf beiden Seiten. Der Shaka Surf Club ist nach der hawaiianischen Geste “Hang Loose” oder “Take it Easy” benannt, was die Philosophie des Surfclubs widerspiegelt. Diese besteht darin, Freiheit in den Wellen zu erleben, gute Stimmung zu verbreiten und das „Go-with-the-Flow“-Prinzip zu leben. Gegründet wurde der Surfclub im Jahr 2007 von Ishita Malaviya und Tushar Pathiyan, die aus Mumbai stammen und die Basics des Surfens von “Swami”, dem indischen Surf-Pionier im Mantra Surf Club, erlernt haben. Sie brachten sich das Surfen im Wesentlichen selbst bei, während sie an der Manipal Academy of Higher Education studierten, und dort begannen, ihren Mitstudenten Surfstunden zu geben. Anfangs kamen hauptsächlich internationale Besucher, aber mittlerweile lernen auch einheimische Kinder und Menschen aus den Städten Indiens das Surfen (Khanna, 2015). Die Struktur des Surfclubs ist in die lokale Gemeinschaft integriert, und stellt einen wichtigen Ort dar, an dem Mitlieder der Gemeinde zusammenkommen können. Einheimische Kinder erhalten kostenlose Surf- und Skatestunden, und Nachbarsfamilien sind beim Shaka Surf Club angestellt, um verschiedene Dienstleistungen zu erbringen. Shaka repräsentiert eine Gemeinschaft in der Gemeinschaft, da es Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen die Möglichkeit bietet, miteinander zu interagieren und sich an Aktivitäten wie Surfen und Skaten zu beteiligen.

Overhead map showing a section of Kodi Bengre and the location of Shaka Surf Club with various places marked

Karte, die einen Ausschnitt von Kodi Bengre und die Lage des Shaka Surf Clubs zeigt (Credit: Laura Werle)

In dieser Studie wurde ein phänomenologischer Ansatz verwendet, der darauf abzielt, die gelebten Erfahrungen der Teilnehmer zu betonen und Wahrnehmungen sowie Empfindungen zur psychischen Gesundheit und zum Wohlbefinden. Ich führte insgesamt 16 Interviews mit Gemeindemitgliedern und Surfern durch, die in der Vergangenheit oder Gegenwart Erfahrungen mit dem Shaka Surf Clubs gemacht haben. Zusätzlich verwendete ich einen autoethnografischen Ansatz, da ich sechs Monate im Shaka Surf Club verbrachte, surfte, skatete und Beziehungen zu den Menschen vor Ort aufbaute. Aufgrund dieser intensiven persönlichen Erfahrung habe ich meine Reflexionen über meine Zeit in Shaka untersucht und geteilt. Eine Zeit, in der ich nicht nur in Wellen eintauchte, sondern auch aktiv an der lebhaften Gemeinschaft teilnahm.

Ergebnisse:Verbesserung der psychischen Gesundheit

Insgesamt wurde eine positive Auswirkung auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden festgestellt, wobei das Surfen im Shaka Surf Club einen tiefgreifenden Einfluss auf intrapersonale Fähigkeiten, persönliche Entwicklung und Geselligkeit zeigt. Surfen geht dort über das Wellenreiten hinaus, und die Rolle von Shaka übersteigt die einer herkömmlichen Surfschule. Die Teilnehmer beschreiben die Atmosphäre innerhalb von Shaka als familiär, was ein starkes Zugehörigkeitsgefühl ausdrückt. Die Kommunikation zwischen den umliegenden Gemeindemitgliedern wird gestärkt, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der Förderung des Dialogs zwischen den verschiedenen Geschlechtern liegt. Bei Shaka kommen Personen beider Geschlechter nicht nur zusammen, um arbeitsbezogene Aufgaben zu besprechen, sondern auch frei miteinander zu sprechen. Der physische Raum des Shaka Surf Clubs erleichtert diese Interaktionen in der Gemeinschaft und dient als zentraler Treffpunkt.

“Wir alle sitzen zusammen, ich und alle anderen. Alle sind unterschiedlichen Alters, aus unterschiedlichen Gruppen. Ja, wir kommen alle hier zusammen. Ich bin glücklich, wenn ich die Leute sehe, wenn ich zu Shaka komme. Ich spreche mit ihnen, ich interagiere.” [Nachbarin, 66 Jahre alt, verantwortlich für das Kochen des Mittagessens für Shaka]

Neighbour boy/ surfer walking towards the skate park

Nachbarjunge/ Surfer, der zum Skateparkt läuft (Bildnachweis: Laura Werle)

Darüber hinaus, ist Shaka eine Quelle sicherer Beschäftigung, finanzieller Sicherheit und verbesserter Arbeitsbedingungen für fünf benachbarte Familien in Kodi Bengre. Dies ist besonders bemerkenswert im Vergleich zu dem Stress, den die Teilnehmer früher im Fischereisektor erlebten, verursacht durch hohe physische Belastungen, Arbeitsplatzunsicherheit und schlechte Arbeitsbedingungen, die sich negativ auf ihre psychische Gesundheit auswirkten. Ein Beispiel hierfür ist der Werdegang des 27-jährigen Campmanagers des Shaka Surf Clubs, der zuvor als Fischer auf einem Schleppangelboot arbeitete und vor allem mental unter den Härten des Berufs litt. Im Alter von 14 Jahren musste er die Schule abbrechen, um seine Familie aufgrund des Alkoholismus seines Vaters zu unterstützen. Sein Leben nahm jedoch eine positive Wendung, als er das Surfen entdeckte und eine Stelle als Surflehrer bei Shaka annahm. Heute versorgt er damit nicht nur seine Familie, die eine Stunde nördlich von Kodi Bengre lebt, sondern erfährt auch eine neu gefundene Stabilität in seiner psychischen Gesundheit.

Die Empfindungen beim Surfens unterstreichen, dass die Interaktion mit dem Meer einen bedeutenden Einfluss auf das mentale Wohlbefinden hat. Die Teilnehmer betonen in den Interviews, wie sehr das Surfen ihre Achtsamkeit fördert und eine starke Verbindung zum gegenwärtigen Moment schafft, was sich auf ihr tägliches Leben überträgt. Der Wandel von einem mentalen Zustand des Stresses und der Sorgen zu einem Zustand von mentaler Ruhe und Zuversicht verdeutlicht die therapeutische Dimension des Surfens und seinen positiven Einfluss auf die psychische Gesundheit.

“Das Surfen hat mir mit meiner mentalen Gesundheit geholfen. Wenn ich gestresst bin, nehme ich mein Board und gehe zum Meer und entspanne mich einfach im Wasser. Wenn ich im Wasser bin und eine Welle erwische, denke ich an nichts. Ich bin einfach glücklich, dass ich die Welle bekommen habe.” [Surflehrer, 24 Jahre alt, geboren in einem Fischerdorf eine Stunde von Kodi Bengre entfernt]

Das Surfen, sowie andere Aktivitäten im Shaka Surf Club haben die Naturverbundenheit der Teilnehmer beeinflusst. Anfängliche Ängste vor dem Wasser wandelten sich in Wertschätzung der Energien des Ozeans. Das Surfen baut auf bereits bestehenden Verbindungen zur Natur auf, die aus Erfahrungen im Zusammenhang mit der Fischerei resultieren. Hier repräsentiert die Fischerei eine tief verwurzelte kulturelle Verbindung mit dem Meer, die Wissen über die natürliche Umgebung und die Fähigkeiten des Meeres umfasst. Die Teilnehmer bringen jedoch zum Ausdruck, dass das Surfen eine tiefere Verbindung mit dem Meer und der Natur eröffnet, die über frühere Grenzen hinausgeht und Freude, Harmonie und eine intime Beziehung mit der natürlichen Welt ermöglicht. Diese Verbundenheit zur Natur schärft das Bewusstsein für die Umwelt und fördert das Interesse der Teilnehmer am Schutz des Meeres und der Ökosysteme.

“Du bist demütig im Prozess, ja du respektierst die Umgebung. Du weißt, dass du die natürlichen Elemente um dich herum respektierst. Wenn du die Natur respektierst, erhältst du von ihr Respekt zurück. Du bekommst Liebe und Fürsorge von der Natur zurück. Du wirst von der Natur genährt, das ist das ultimative Ziel.” [Surfer und Betriebsleiter, 35 Jahre alt, aus Mumbai, Indien]

View of the backwaters of Suvarna river from Shaka. In the distance is a person standing on a small boat.

Blick auf den Fluss Suvarna von Shaka aus (Bildnachweis: Laura Werle)

Geschlechtsbezogene Unterschiede beim Zugang zu und der Teilnahme am Surfen ergeben sich aufgrund einer Vielzahl von Barrieren, darunter die mangelnde Akzeptanz in der Gemeinde, kulturelle Normen und das Fehlen von Vorbildern. Diese Barrieren beeinträchtigen insbesondere die Beteiligung von einheimischen Frauen am Surfen. Während es männliche Surfer aus dem Dorf Kodi Bengre gibt, bleibt die lokale weibliche Beteiligung im Wasser aus. Diese geschlechtsspezifische Diskrepanz liegt nicht nur in der Ungleichheit beim Zugang zum Surfen, sondern wirkt sich darüber hinaus auch direkt auf das mentale Wohlbefinden von Frauen und Mädchen aus, da sie die Chancen des Surfens verpassen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das komplexe Zusammenspiel verschiedener Faktoren auf intrapersonaler, interpersonaler, sozialer und gemeinschaftlicher Ebene die transformative Wirkung des Shaka Surf Clubs auf Individuen und die Gemeinschaft offenbart. Das Ausmaß, in dem die psychischen Gesundheit und das Wohlbefinden des Einzelnen beeinflusst werden, hängt jedoch von der Beteiligung an Aktivitäten im Shaka Surf Club sowie von geschlechtsspezifischer Unterschieden ab.


Quellen

Comley, C. (2016). “We have to establish our territory”: how women surfers ‘carve out’ gendered spaces within surfing. Sport in Society, 19(8-9), 1289-1298.

Ford, N.J. & Brown, D. (2006). Surfing and Social Theory. Experience, Embodiment and Narrative of the Dream Glide. Routledge

Khanna, J. M. (2015, 1 Sept). At home at sea: India’s surfing revolution. Traveller. https://www.cntraveller.in/story/home-sea-india-s-surfing-revolution/

Miller, C. & Fechser, F. (2015). Surfing into Samadhi: Rediscovering the elements in India’s Coastal Villages.

Pathak, G. (2023). ‘Plastic Pollution’ and Plastics as Pollution in Mumbai, India. Ethnos, 88(1), 167–186. https://doi.org/10.1080/00141844.2020.1839116

Podavkova, T. & Dolejs, M. (2022). Surf Therapy—Qualitative Analysis: Organization and Structure of Surf Programs and Requirements, Demands and Expectations of Personal Staff. International Journal of Environmental Research and Public Health, 19, 2299. https://doi.org/10.3390/ ijerph19042299

Quicksilver India. (2013). A Rising Tide – The India Surf Story. [Video]. https://www.youtube.com/watch?v=xS1FrNtHzzk

Shamaran, A. (2020). The Secret Surf Culture of India [Video]. Youtube. https://www.youtube.com/watch?v=NBqEQ8x6fxE

Taylor, B. (2010). Dark Green Religion: Nature Spirituality and Planetary Future. University of California Press.

Tiwari, R. (2010, November 18). Caste System and Social Stratification in India. http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.2067936

World Surf Leage (2022). Soul & Surf Kerala. Brilliant Corners. https://www.worldsurfleague.com/watch/447203/wsl-studios-brilliant-corners-india

 

 

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